2D Visualisierung komplexer Funktionen (Phasen-Plots)

Die Visualisierung von Funktionen ist in vielen Wissenschaften eine allgegenwärtige Aufgabe. Dazu wird üblicherweise der Funktionsgraph in einem geeigneten (meist kartesischem) Koordinatensystem dargestellt. Somit kann man einen Gesamteindruck über das Verhalten der Funktion gewinnen und bestimmte charakteristische Merkmale erkennen, wie z.B. minimale oder maximale Punkte oder Punkte, an denen sich die Krümmungsrichtung ändert.

 

Jedoch ist diese Technik mit kartesischen Koordinatensystemen auf drei Dimensionen beschränkt. Bei komplexen Funktionen mit dem Definitionsbereich D ⊂ ℂ und Wertebereich W ⊂ ℂ   

sind die Funktionswerte w ebenfalls komplexe Zahlen, zur Darstellung würden somit vier (!) Dimensionen benötigt.

Domain-Coloring

Im Gegensatz zur Darstellung von Funktionsgraphen im euklidischen ℝ² oder ℝ³ Raum benötigt die Technik Domain-Coloring (Domänen- oder Bereichsfärbung) [1] keine zusätzlichen räumlichen Dimensionen für den Bereich, sondern verwendet vielmehr "Farbdimensionen" zur Kodierung der Funktionswerte.

Vorgehensweise

  •  Bei einer gegebenen komplexen Funktion f : D → W definiert man ein Farbschema als Funktion
    col : W →
    HSV, die jedem Wert y W eine Farbe col (y) aus dem HSV-Farbraum zuweist (natürlich sind hier auch andere Farbmodelle möglich).
  • Der üblicherweise rechteckige Definitionsbereich D ⊂ ℝ² wird mit einer gewünschten Auflösung in eine diskretisierte Domäne Dp aus Pixeln überführt. Jedes Pixel i  entspricht so einem Punkt zi in D.
  • Für jeden Punkt zi D wird die Pullback-Funktion f*col := col ○ f ausgewertet, und der resultierende Farbwert f*col (zi) wird dem Pixel i zugeordnet, was schließlich zu einer Färbung der gesamten Domäne Dp führt.
Domain-Coloring Prinzip
Darstellung einer komplexen Zahl z

Die 2D Visualisierung einer komplexen Funktion beruht auf der Darstellung einer komplexen Zahl z in Polarkoordinaten:

z = r e i φ = r ( cos (φ) + i sin(φ) )   mit r 0+ und φ [0, 2π]

Für jeden Punkt  z D  in der Gauß'schen Zahlenebene stehen somit beim Domain-Coloring mit dem Funktionswert f (z) sein Winkel φ  (Phase) und sein Betrag r  (Modulus) als Argument für die Einfärbungsfunktion col zur Verfügung.

 

Für das Einfärben gibt es mehrere Varianten.

Phasen-Plots

Beim Phasen-Plot einer komplexen Funktion f ordnet die Färbefunktion col  jedem z D einen Farbwert aus dem Farbkreis des HSV-Farbraums [2] zu, wobei das Argument für col die Phase φ des Funktionswertes f (z) ist und die Farbe am "äußeren Rand" (Sättigung S = 100 % und Helligkeit V = 100 %) entnommen wird:

Phasen-Plot Prinzip

Dem Beispiel in der obigen Grafik liegen folgende konkrete Werte zugrunde: f (z) = 1 / (z² - 1),  zk = 1 + ½ i,  φ = 1.8108 ≈ 104°             

 

Für die Funktion f (z) = z, die ihren Definitionsbereich auf sich selbst abbildet, entsteht mit der zuvor definierten Methode der folgende Phasen-Plot.

Der Phasen-Plot kann als "Fingerabdruck" der Funktion betrachtet werden. Obwohl nur ein Teil der Daten codiert wird (das Argument) und ein anderer Teil unterdrückt wird (der Modul), kann eine wichtige Klasse von Funktionen (analytische oder allgemeiner meromorphe Funktionen) bis zur Normalisierung eindeutig rekonstruiert werden.