Vor der Betrachtung komplexer Fibonacci-Folgen wird zunächst auf die natürlichen / ganzzahligen Fibonacci-Folgen und deren Erweiterung zu kontinuierlichen Fibonacci-Folgen eingegangen.
Die Fibonacci Folge ist eine Folge natürlicher Zahlen mit folgender rekursiver Bildungsvorschrift:
Die ersten 17 Glieder der Folge ergeben sich somit zu:
Oftmals wird die Fibonacci-Folge (z.B. in der Schule) an Hand einer Kaninchenpopulation dargestellt:
Es startet ein männliches und ein weibliches Kaninchenneugeborenes (ein Paar).
Angenommen
Im 1. Monat gibt es also ein Paar Neugebore, im 2. Monat sind sie Erwachsene, es gibt also keine Neugeborenen. Dann bekommen sie ein Paar Neugeborene im 3. Monat und so weiter (vgl. mit nachfolgender Grafik). In dem hier vereinfachten Beispiel beschreibt die Fibonacci-Folge die Gesamtpopulation der Kaninchenpaare.
Stellt man die rekursive Bildungsvorschrift der Fibonacci-Folge um fn-2 = fn – fn-1 , so lassen sich die
Fibonacci-Zahlen in den Bereich der negativen ganzen Zahlen 𝕫– erweitern, so dass sie für alle n ∈ 𝕫 definiert sind. Man erhält:
Die Beträge der Werte sind symmetrisch, im Negativen alternieren sie jedoch; somit gilt f–n = (–1)n+1 fn .
Eigenschaften, Anwendungen und Verbindungen/Bezüge zu anderen Bereichen der Mathematik finden interessierte Leser in [1] sowie in "The Online Encyclopedia of Integer Sequences" [2].
Eine wichtige Eigenschaft der Fibonacci-Folge ist, dass die Folge der Verhältnisse zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen fn und fn+1
in ℝ mit folgendem Grenzwert konvergiert:
Die irrationale Zahl Φ ≈ 1.61803... wird auch Goldener Schnitt [3] genannt. Im Negativen nähert sich das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen gegen Φ-1.
Eine weitere Beziehung der Fibonacci-Folge mit dem Goldenen Schnitt zeigt die Formel von Moivre-Binet, mit der sich das n-te Glied der Folge unmittelbar bestimmen lässt ohne die n-1 vorhergehenden Glieder berechnen zu müssen. Es gilt:
Für einen Beweis mittels Vollständiger Induktion klicken Sie bitte aud das Minibild in der rechten Spalte.
Zerlegt man den Bruch in der Moivre-Binet-Formel in zwei Teilbrüche, so entsteht die Differenz zweier Folgen. Bemerkenswert ist hier, dass für n ∈ ℤ die Differenz der Glieder beider Folgen mit jeweils der n-ten Potenz einer irrationalen Zahl Φ ganzzahlige Fibonacci-Zahlen erzeugen (vgl. mit der folgenden Grafik).
Für positive n geht der Einfluss der Folge (1 - Φ)n / √5 rasch gegen Null. Dies kann man verwenden, um die Berechnung abzukürzen, indem man den Term für genügend große n ignoriert und das Ergebnis zur nächsten natürlichen Zahl rundet:
Dies gilt bereits für 0
≤ n
∈
ℤ .
In der folgenden Tabelle sind für die ersten Folgeglieder die nicht gerundeten Werte fn*
aufgeführt.
Setzt man in den Exponenten n der Moivre-Binet-Formel nicht-ganzzahlige Werte ein, so wandelt sich die Fibonacci-Folge in eine kontinuierliche Funktion um. Da 1−Φ jedoch negativ ist und nicht-ganzzahlige Potenzen negativer Zahlen nur im Komplexen definiert sind, muss der Wertebereich auf ℂ erweitert werden:
Der Graph dieser Funktion stellt sich mit x als Kurvenparameter wie folgt dar:
Für reelle x kann man f umformen:
und erhält so folgende Darstellung:
Die zuvor beschriebene Erweiterung der Fibonacci-Folge zu einer komplexwertigen Funktion mit reellen Eingabewerten kann nochmals erweitert werden, indem man als Definitionsbereich von f die komplexen Zahlen ℂ zulässt:
Um diese Funktion darstellen zu können, werden die komplexen Funktionswerte f (z) auf reelle Werte heruntergebrochen, d.h. die komplexwertige Funktion f : ℂ → ℂ wird durch die Funktion f̃ : ℝ² → ℝ ersetzt (s. auch 3D Visualisierung komplexwertiger Funktionen).
Die darzustellenden Größen für f (z) mit z = x + y ∙ i ergeben sich zu:
Mit
liegen die Nullstellen zn auf einer Geraden durch den Nullpunkt; dies kann man gut in den
Contour-Plots erkennen:
Der Absolutbetrag der komplexen Fibonacci-Folge
ist in der folgenden Galerie links dargestellt. Das rechte Bild der Galerie zeigt den Absolutbetrag zusammen mit der Phase (s. auch 3D Visualisierung komplexwertiger Funktionen).
Eine Darstellung von f als Phasen-Plot (s. auch 2D Visualisierung komplexwertiger Funktionen) zeigt die folgende Abbildung.
Für komplexe Startwerte zn+2 = zn+1 + zn entsteht in der Gaußschen Ebene eine Punktfolge, welche sich einer Geraden annähert. Um die Steigung dieser Geraden zu ermitteln, betrachte man die Folge
z0 = z0
z1 = z1
z2 = z0 + z1
z3 = z0 + 2 z1
z4 = 2 z0 + 3 z1
z5 = 3 z0 + 5 z1
…
zn = fn-1 z0 + fn z1
wobei fn die gewöhnliche Fibonacci-Folge ist.
Für n ≫ 0 ist fn ≈ Φ fn-1.
Mit den Startwerten z0 = a + b i und z1 = c + d i gilt somit:
zn = fn-1 z0 + fn z1 ≈ fn-1 (z0 + Φ z1) = fn-1 ( (a + Φ c) + i (b + Φ d) ).
Da fn-1 lediglich ein reeller Faktor ist, gilt für das Argument von zn und somit für die Steigung:
Im animierten Beispiel oben rechts läuft z0 auf einem Kreis mit dem Radius 10 entlang während z1 = -5 - 3 i konstant bleibt. Die Folgenglieder z1 sind in blau, die Gerade ist in gelb eingezeichnet.
Außer der Wahl beliebiger Startwerte besteht eine weitere Art der Erweiterung der Fibonacci-Folge darin, die Glieder zn+1 und zn mit Faktoren zu versehen:
zn+2 = a zn+1 + b zn mit a, b ∈ ℂ
In Abhängigkeit der Koeffizienten a und b kann eine solche Folge divergieren, konvergieren oder zyklisches Verhalten zeigen. Dazu im Folgenden ein paar Beispiele.
Punktkonvergenz, Nullfolge
a = 0,9 + 0,9 i b = - 0,9 i
z0 = 1,5 + 1,5 i z1 = -1 + i | z500 | ≈ 7,9 • 10-12
Punktkonvergenz, Nullfolge
a = 1 - 0,6 i b = 0,4 i
z0 = 0,5 - i
z1 = 1 + 1,5
i | z500 |
≈ 10-15
In seiner Publikation "Allgemeine Fibonacci-Folgen" [7] untersucht der Verfasser H. Walser dieses Grenzverhalten systematisch und stellt entsprechende Bedingungen auf. Darüber hinaus finden Interessierte Leser(innen) auf seiner Webseite unter "Miniaturen" eine unglaublich große Vielfalt an Themen rund um die Fibonacci-Folge.
Im weiteren Verlauf dieser Webseite liegt der Focus auf speziellen Folgen, die ein zyklisches Verhalten aufweisen.
Durch eine entsprechende Wahl von a und b für die Folge zn+2 = a zn+1 + b zn entstehen zyklische Fibonacci-Folgen. Verbindet man je zwei aufeinander folgende Glieder zn und zn+1 einer zyklischen Fibonacci-Folge mit der Zykluslänge λ = m durch eine Strecke, so ergibt dies ein Polygon [4] mit m Ecken und Seiten (m-Eck).
• Folge zn+2 = zn+1 - zn mit n ∈ ℕ0, zn ∈ ℂ
Durch Multiplikation von zn mit -1 entsteht eine zyklische Folge, die unabhängig von den Startwerten z0 und z1 stets die Zykluslänge λ = 6 besitzt:
z0 = c mit c ∈ ℂ
z1 = d mit d ∈ ℂ
z2 = d – c
z3 = d – c – d = -c
z4 = -c – (d – c) = -d
z5 = -d – (-c) = -d + c
z6 = -d + c – (-d) = c